Geschichten, die das Internet vorhersagten
- Stefan Ohm

- 6. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Apr.
Das Internet hat unsere Welt grundlegend verändert. Von der Art, wie wir kommunizieren, bis hin zu unserem Zugang zu Wissen. Doch lange bevor das World Wide Web Realität wurde, gab es visionäre Schriftsteller, die seine Existenz erstaunlich genau vorausgesagt haben. In ihren Romanen und Geschichten beschrieben sie globale Netzwerke, virtuelle Realitäten und die weitreichenden Folgen einer vernetzten Gesellschaft. Einige dieser Bücher wurden vor Jahrzehnten geschrieben, und doch wirken sie heute aktueller denn je.
Die frühen Visionen: Erste Konzepte einer vernetzten Welt
Die Entstehung des Internets liegt in den 1960er Jahren mit dem ARPANET, einem vom US-Verteidigungsministerium finanzierten Netzwerk. Ziel war es, eine dezentrale Kommunikation zwischen Computern zu ermöglichen. 1969 wurden die ersten zwei Knotenpunkte zwischen Universitäten in den USA verbunden. In den 1970er Jahren entwickelten Vinton Cerf und Robert Kahn das TCP/IP-Protokoll, das den Datenaustausch standardisierte und 1983 als Grundlage des Internets eingeführt wurde.
In den 1980er Jahren entstanden immer mehr Netzwerke, die schließlich zum globalen Internet zusammenwuchsen. Der entscheidende Durchbruch gelang Tim Berners-Lee 1989 mit der Erfindung des World Wide Web. Er entwickelte die Konzepte von Hypertext, URLs und den ersten Webbrowser, wodurch das Internet für die breite Öffentlichkeit zugänglich wurde.
Doch weit vor der tatsächlichen Entwicklung des Internets gab es Autoren, die sich mit der Idee eines weltumspannenden Informationsnetzes auseinandersetzten. Einer der frühesten visionären Entwürfe stammt von H.G. Wells, der in den 1930er Jahren in seinen Schriften die Idee eines Weltgehirns formulierte. Ein universelles Netzwerk, das Wissen für alle Menschen zugänglich machen sollte. Seine Vorstellungen legten gewissermaßen den Grundstein für das, was später als das Internet und im speziellen Wikipedia Realität wurde.
Noch früher beschrieb Mark Twain in seiner Kurzgeschichte From the "London Times" of 1904 (1898) eine Telectroscope-Technologie, die es Menschen ermöglichen würde, weltweit über ein Netzwerk miteinander zu kommunizieren. Diese frühe Idee einer weltweiten Datenübertragung zeigt, dass das Konzept eines globalen Netzwerks bereits um die Jahrhundertwende existierte.
Im Jahr 1945 stellte Vannevar Bush in seinem Essay As We May Think die Idee des Memex vor, eines Geräts, das Informationen speichert und verknüpft. Auch wenn es sich hierbei um eine wissenschaftliche Vision handelte, inspirierte diese viele Science-Fiction-Autoren und kann als Vorläufer des Hypertextes gelten, der später das Internet maßgeblich beeinflussen sollte.
Später griff George Orwell in seinem berühmten Roman 1984 (1949) die Idee einer digitalen Informationskontrolle auf. Zwar beschreibt Orwell kein offenes Netzwerk, doch seine düstere Vision von Überwachung, Zensur und der Manipulation von Informationen durch den Staat weist erstaunliche Parallelen zu heutigen Debatten um digitale Privatsphäre und Internetzensur auf.
Die ersten konkreten Ideen eines globalen Netzwerks
In den 1960er Jahren näherten sich Science-Fiction Autoren immer mehr den technologischen Entwicklungen an, die wir heute als Internet kennen. Murray Leinster veröffentlichte 1961 die Kurzgeschichte A Logic Named Joe, in der er Computer beschreibt, die miteinander verbunden sind und Informationen für die gesamte Menschheit zugänglich machen. Er schildert eine Welt, in der Menschen Fragen in ein Terminal eingeben und in Sekundenschnelle Antworten erhalten. Im Grunde eine erstaunliche Vorausschau auf Suchmaschinen und Online-Datenbanken.
John Brunner beschrieb in seinem Roman Der Schockwellenreiter (1975) eine Welt, in der Menschen über Computernetze interagieren, während staatliche Überwachung allgegenwärtig ist. Er war damit einer der ersten Autoren, die die Idee von Big Data und der Manipulation durch digitale Medien behandelten. Besonders bemerkenswert ist Brunners Idee eines Virtuellen Selbst, einer Online-Identität, die manipuliert und verändert werden kann. Ein Thema, das heute mit Social Media und digitalen Identitäten im Rahmen der KI Entwicklung von großer Relevanz ist.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen des Internets
Während viele frühe Werke sich mit der technischen Seite eines globalen Netzwerks beschäftigten, rückten später die gesellschaftlichen Folgen in den Mittelpunkt. Autoren begannen sich zu fragen: Was passiert mit unserer Gesellschaft, wenn Informationen überall und jederzeit verfügbar sind? Ein Beispiel hierfür ist Daniel F. Galouyes Simulacron-3 (1964), ein Roman über eine simulierte Realität, die als Testumgebung für soziale Entwicklungen dient. Die Idee einer komplett digitalen Welt, in der Menschen existieren, ohne zu wissen, dass sie Teil eines Computerprogramms sind, nimmt viele spätere Konzepte von Virtual Reality und dem Metaverse vorweg.
Mit der zunehmenden Vernetzung der Welt wurden auch die gesellschaftlichen Folgen immer deutlicher. John Brunner widmete sich diesem Thema erneut in Die Netzwelt (1974). In diesem Roman beschrieb er ein globales Netzwerk, das Nachrichten verbreitet und von Konzernen kontrolliert wird. Die Parallelen zu unserer heutigen digitalen Welt mit ihren monopolartigen Technologieunternehmen und der Informationsflut sind verblüffend.
Schlussfolgerungen
Diese Bücher beweisen, dass visionäre Autoren oft ihrer Zeit voraus sind. Lange bevor das Internet Realität wurde, beschrieben sie mit erstaunlicher Präzision die Chancen und Risiken eines global vernetzten Informationszeitalters. Wer sich mit den Ursprüngen und möglichen Zukunftsperspektiven des Internets auseinandersetzen möchte, findet in diesen Romanen faszinierende und zugleich erschreckend präzise Einblicke in eine Welt, die heute unsere Realität ist. Viele Autoren haben die tatsächliche Entwicklung bereits ein Jahrzehnt im Voraus erkannt. Es wird spannend sein zu beobachten, wie realistisch sich die Visionen der heutigen Autorengeneration in Zukunft erweisen.




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