Warum schreiben? Die Motivation berühmter Schriftsteller
- Stefan Ohm

- 27. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Warum setzen sich Menschen an den Schreibtisch, füllen oft über Jahre Seite um Seite mit Worten und setzen sich unter großen Druck, der sie in tiefste Verzweiflung stürzt? Die Frage, warum Autoren schreiben, lässt sich pauschal natürlich nicht beantworten. Persönlich finde ich die Motivation von Autoren und deren Arbeitsweise immer hochinteressant. Gerade autobiographische Werke, die sich auf den eigenen Schaffensprozess fokussieren haben mich immer gefesselt. Wer den Blick auf die Motive berühmter Vertreter der Fantasy und Science-Fiction richtet, entdeckt eine faszinierende Mischung aus innerem Drang, Welterschaffung, Gesellschaftskritik, Eskapismus und manchmal auch ein Bedürfnis nach Hoffnung in düsteren Zeiten.
Schreiben zwischen innerem Drang und gesellschaftlichem Auftrag
Für viele ist das Schreiben in fantastischen Welten kein bloßer Ausflug in die innere imaginäre Vorstellung, sondern ein tief verwurzelter Ausdruck ihrer inneren Realität. Ursula K. Le Guin etwa schrieb nicht, um der Realität zu entfliehen, sondern um sie auf neue Weise zu durchdringen. In ihren Romanen wie Die Enteigneten (auch Planet der Habenichtse) oder Die Linke Hand der Dunkelheit experimentierte sie mit politischen, sozialen und geschlechtlichen Strukturen. Dies tat sie in einer Sprache, die poetisch, kritisch und zutiefst menschlich war. Für Le Guin war Science-Fiction kein Eskapismus, sondern ein Werkzeug des Denkens.
Auch Octavia Butler verfolgte einen expliziten gesellschaftlichen Anspruch mit ihrer Literatur. Ihre Romane zeigen alternative Gesellschaftsentwürfe, durchzogen von Fragen nach Macht, Identität, Anpassung und Widerstand. Sie selbst betonte, dass sie Science-Fiction schrieb, um sich mit der Wissenschaft auseinanderzusetzen und sich mit allem beschäftigen zu können, was sie interessierte ("Science fiction let me do both. It let me look into science and stick my nose in everywhere.").
Dadurch konnte sie sich auch mit den dunklen Kapitel der Welt beschäftigen, wie dies in Kindred geschehen ist und sie sich mit der historischer Gewalt und sozialer Gerechtigkeit auseinandersetzte.
Terry Pratchett wiederum schrieb aus einem unstillbaren Drang zur Beobachtung. Und natürlich, um sich satirisch mit der Welt und Kunst auseinanderzusetzen. Seine Scheibenweltromane sind voller Humor, doch dahinter verbergen sich kluge Reflexionen über Bürokratie, Religion, Politik und Medien. Schreiben war für ihn eine Art, Ordnung in die Absurdität der Welt zu bringen. Seine Geschichten zeigen, dass auch das Fantastische ein Spiegel der Wirklichkeit sein kann, die oft sogar präziser als diese war.
Schreiben als Welterschaffung und existenzieller Trost
Fantasy und Science-Fiction sind wie kaum ein anderes Genre mit der Kunst der Welterschaffung verbunden. Für viele Autoren ist das Erschaffen fremder Realitäten ein schöpferischer Akt, der weit über die Flucht vor dem Alltag hinausgeht. J.R.R. Tolkien etwa begründete mit Der Herr der Ringe nicht nur die moderne Fantasy, sondern erschuf ein ganzes sprachliches und mythologisches Universum. Für ihn war Schreiben eine zutiefst kreative und beinahe spirituelle Tätigkeit, ein Versuch, dem Leser Trost und Orientierung zu bieten in einer Welt, die nach zwei Weltkriegen zutiefst erschüttert war.
Auch Frank Herbert nutzte das Genre, um große Fragen der Menschheit zu verhandeln. In Dune verknüpfte er Ökologie, Religion, Macht und Mythos zu einem vielschichtigen Erzählkosmos. Für ihn war Science-Fiction ein Vehikel, um komplexe Systeme zu durchdenken und um die Folgen menschlicher Entscheidungen in einem größeren Maßstab sichtbar zu machen. Schreiben wurde für ihn zu einer ethischen und intellektuellen Aufgabe.
Nicht zuletzt ist Schreiben für viele auch eine Form der Bewältigung, des Haltfindens. Becky Chambers etwa schreibt in ihren Wayfarer-Romanen nicht über Kriege oder dystopische Abgründe, sondern über Empathie, Verständigung und den Wert der Vielfalt. Ihre Bücher sind ein Plädoyer für ein achtsames Miteinander in einer oft überwältigend komplexen Welt.
So viele Gründe wie Stimmen
Warum schreiben Menschen? Warum schreibt man selbst? Die Antwort ist so vielfältig wie die Literatur und die Menschen selbst. Manche schreiben aus innerem Zwang, andere aus intellektueller Neugier, aus Protest oder als Therapie. Besonders im Bereich der Fantasy und Science-Fiction zeigt sich, wie sehr Literatur nicht nur Ausdruck, sondern auch Konstruktion sein kann.
Diese Genres ermöglichen es, große Fragen auf neue Weise zu stellen: Was macht uns menschlich? Wie könnte eine bessere Welt aussehen? Wovor fürchten wir uns? Und worauf dürfen wir hoffen? Wer schreibt, antwortet nie nur für sich selbst, sondern befindet sich immer auch im Dialog mit der Welt, die ihn umgibt.
Vielleicht ist das der schönste Grund zu schreiben: Um das Unmögliche zu denken, das Unaussprechliche zu formulieren und das eigene Menschsein in neuen Farben zu erzählen.




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